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Teil 1: Auferstehender – ein Mosaik von Karl Bauer

Die Vorgeschichte

Es kommt immer wieder einmal vor, dass mich jemand auf meine Mosaiktätigkeit anspricht, um dann festzustellen, dass ich schon etwas verrückt sein muss, wenn ich so etwas mache. Wenn ich dann selbst so auf mein Tun schaue, muss ich wohl zustimmen. Aber vielleicht braucht es diese Portion Verrücktheit, um eben genau diese Dinge zu erleben, die Spaß machen, die anders sind, die es verhindern, sich einfach nur irgendwo gemütlich hinzusetzen, in diesem Sog des Alltags zu verschwinden und nur mehr von Wochenende zu Wochenende und von Urlaub zu Urlaub zu leben. Ähm … was ist eigentlich Urlaub?

Es war im Spätherbst 2023, als eine fremde Nummer auf dem Display meines Handys aufleuchtete. Es meldete sich eine angenehme Stimme, die sich als Dr. Oberlerchner, ehemaliger Primar der Psychiatrie Klagenfurt vorstellte. Bevor ich mir darüber allzu viele Gedanken machen konnte, eröffnete er mir umgehend, dass er meine Nummer von einer Mosaikkollegin, Heidi Easton-Pichler, habe, die mich für sein Vorhaben empfohlen habe.

Er erklärte mir, dass mit dem Abriss des alten Gebäudes der Psychiatrie im Klinikum Klagenfurt beinahe ein Mosaik von Karl Bauer vollständig verloren gegangen wäre. An Abriss und Neubau bin ich fast täglich vorbeigekommen – von dem Mosaik, welches sich dort in einem Veranstaltungsraum, der auch für Gottesdienste genutzt wurde, hörte ich das erste Mal.

Karl Bauer hingegen ist mir ein Begriff, er hat immerhin jene Mosaike am Kreuzbergl in Klagenfurt gestaltet, die jedem, der die Radetzkystraße entlang zur Kreuzberglkirche oder zum dortigen Restaurant pilgert, sofort ins Auge sticht. Leider wirkt dieser Kreuzweg bzw. die Gedenkstätte, fertiggestellt 1959, bereits etwas verwahrlost: Putz bricht von einigen Wänden ab und bei den Stufen sollte man schon ganz genau schauen, wo man hin steigt. Spannend im Zusammenhang mit dem Mosaik im Klinikum finde ich, dass auch hier ein „Auferstehender“ als Mosaik umgesetzt wurde, der dem jüngeren Mosaik vom Motiv her doch recht ähnlich ist.

Doch ich schweife ab: Dr. Oberlerchner erzählte mir, dass leider weder Kabeg (Krankenhausbetreibergesellschaft) noch die Diakonie sich in der Lage sahen, das Mosaik – wohl aus Kostengründen – zu erhalten. Für ihn und viele Mitarbeiter*innen der Abteilung war es jedoch ein jahrelanger Begleiter bei vielen Veranstaltungen und er würde es sehr bedauern, wenn dieses Mosaik für immer verloren wäre. Als er aus organisatorischen Gründen knapp vor dem Abriss noch in das bereits völlig ausgeräumte Gebäude ging, kam er mit dem Polier ins Gespräch und äußerte sein großes Bedauern über das Schicksal des Mosaiks.

Am nächsten Tag fand er drei große Schachteln mit „Schutt“, den Einzelteilen des Mosaiks, vor seinem Büro. Der Arbeiter hatte spontan, angeregt durch das Gespräch, gerettet, was in dieser kurzen Zeit noch zu retten war und schlug das Mosaik von der Wand. Übrigens, das Loch in der Wand rechts unterhalb des Mosaiks diente zur Untersuchung, wie das Mosaik angebracht war und ob ein Abtragen möglich sei.

Nun lag das Material im Keller des Neubaus der Psychiatrie am Klinikum Klagenfurt und er versuchte schon seit einiger Zeit Leute dafür zu begeistern, das Mosaik zu rekonstruieren. Er hatte durchaus spannende Ideen, wie z. Bsp., dass Schüler*innen einer Schule mit Kreativschwerpunkt oder jene der Fachhochschule für Ergotherapie etwas – ev. auch ganz Neues – daraus machen könnten. Doch er bekam bislang nur Absagen. Er fragte mich, ob ich mich in der Lage sähe, das nicht gerade handtaschentaugliche Mosaik nachzubauen, er vermute, es habe ca 2 x 3 m gehabt. Ohne zu wissen, was auf mich zukommen würde, sagte ich – nona – ja. Was hätte ich tun sollen? Es ging um ein Mosaik und die Frage, ob es je wieder eines sein würde oder ob es nicht doch noch am Schutt landen würde. Jede bzw. wirklich jeder, der vom Mosaikvirus befallen ist, muss in diesem Fall ja sagen. Ist so!

Dr. Oberlerchner freute sich über mein „Ja“ und versprach, sich Ende Jänner/Anfang Februar wieder zu melden, einstweilen seien die Steine im Keller gut aufgehoben. Somit hatte ich nun einige Wochen Zeit, diese unglaubliche Geschichte auf mich wirken zu lassen. Er schickte mir noch ein paar Fotos, unter anderem auch von den Steinen. Mit all den Informationen ausgestattet begann ich natürlich mehr zu Karl Bauer und seinen Mosaiken zu recherchieren (Links am Ende des Beitrags).

Das Jahr wechselte und Herr Oberlerchner meldete sich tatsächlich wieder bei mir. Je mehr ich Zeit zum Nachdenken hatte, umso mehr Zweifel kamen in mir auf, ob die Sache nicht doch eine Nummer zu groß für mich sei. Wo sollte ich arbeiten? Mein Arbeitsraum mit satten zwölf Quadratmetern ist wohl eher ungeeignet dafür. Welche Methode könnte ich anwenden? Zudem hatte ich das Material bis zu diesem Zeitpunkt nur auf Fotos gesehen. Aber noch war es ohnehin nicht sicher, ob sich das Projekt verwirklichen bzw. finanzieren lassen würde. Dr. Oberlerchner nahm noch einmal Kontakt mit Kabeg und Diakonie auf und es wurde ihm bestätigt, dass leider keinerlei Potenzial gesehen würde, das Mosaik nachbauen zu lassen – der „Schutt“ gehöre nun ihm. In der Zwischenzeit konnte ich den Sohn des Künstlers Karl Bauer kontaktieren, der in Innsbruck lebt und von der Geschichte des zerstörten Mosaiks sehr betroffen war. Wir erfuhren, dass im Sommer 2025 eine Ausstellung von Karl Bauer Werken – anlässlich seines 120. Geburtstags – in Klagenfurt geplant ist. Zudem teilte uns Herbert Bauer auch mit, dass dies nicht das erste Kunstwerk seines Vaters sei, welches im Zuge von Umbauarbeiten zerstört (1993 ein Fresko im Seniorenpark Hülgerthpark) oder – etwas besser – in einem Keller archiviert wurde (Kirchenfenster Harbach). Angesichts solcher Geschichten frage ich mich, warum es keine Ideen bzw. keine Bestrebungen gibt, Bestehendes bei Umbauten/Neugestaltungen mitzudenken, neu zu interpretieren und in den aktuellen Kontext einzuplanen, sondern der Verlust bzw. das „Verstecken“ einfach so hingenommen wird … da gibt es ja noch viel mehr Beispiele, so Manches wahrscheinlich für immer verloren.

Im Februar traf ich mich zum ersten Mal mit Dr. Oberlerchner in der neuen Psychiatrie im Klinikum Klagenfurt. Ein modernes, helles, freundliches, vermutlich sehr zweckmäßiges aber irgendwie auch nüchternes Gebäude, in dem es jedoch auch Wohlfühlinseln gibt – zumindest war das mein Eindruck. Er wollte die Steine aus dem Keller holen und ich konnte sie dadurch endlich sehen und auch angreifen. Natürlich gab es auch einen guten Kaffee und in den Gesprächen konnte ich erkennen, dass das Mosaik für viele offensichtlich wirklich etwas Besonderes war, dessen Verlust doch auch eine Lücke hinterlässt. Da ich selbst keinen geeigneten Platz zum Arbeiten hatte, wurde auch die Überlegung angestellt, ob sich nicht innerhalb des Neubaus ein Platz finden lassen würde, in dem ich, eventuell gemeinsam mit Klient*innen das Mosaik wieder auferstehen lassen könnte. Eine nette aber sicher auch sehr herausfordernde Idee, die mir im Rückblick noch immer gefällt.

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